UN 4/2017
Deniz Yücel - ein »deutscher Patriot«?
Politik und Medien überschlagen sich seit Wochen mit Forderungen an die Türkei, den dort inhaftierten Journalisten Yücel freizulassen.
Selbst der neue Bundespräsident Steinmeier hatte bei seiner Antrittsrede keine wichtigeren Themen als die Forderung an die Türkei, Herrn Yücel freizulassen.
Die Bundesregierung schaltete sich ein, den türkisch-deutschen Zeitungsschreiber wenigstens besuchen zu dürfen. Aber das ist nun mal der Fluch der doppelten Staatsbürgerschaft: Yücel hat in der Türkei gearbeitet, und als türkischem Staatsbürger gilt für ihn das türkische Recht.
»Geben Sie Deniz Yücel frei!«
So Neupräsident Steinmeier vor dem Bundestag am 22.3.2017. Für Noch-Außenminister Sigmar Gabriel gilt Yücel als »ein deutscher Patriot«. Im ZDF heute-journal vom 7.3.2017 verstieg sich Gabriel im Interview mit Claus Kleber in pathetische Erklärungen:
Ich finde dieses Schicksal von Herrn Yücel ist deshalb so beeindruckend, weil er – naja, er ist ein deutscher Patriot mit türkischen Wurzeln.
Wer ist nun dieser »deutsche Patriot«?
Wer ist nun dieser Deniz Yücel, der in der Springer-Zeitung Die Welt über illegal erlangte E-Mails berichtet hatte?
Vorgeworfen wird Yücel laut SPON vom 17.2.2017 »Mitgliedschaft in einer Terrororganisation, wegen Terrorpropaganda und wegen Datenmissbrauchs«. Es gehe um gehackte E-Mails, die vom türkischen Energieminister Berat Albayrak stammen sollen. Albayrak wiederum ist der Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan. »Yücel hatte über die von einer Gruppe namens Redhack verbreiteten Mails zwei Artikel verfasst«, heißt es bei SPON. »Redhack« gelte in der Türkei als Terrororganisation.
Von Jungle World zu Springer
Mit »linksradikal« und sogar »linksextrem« konnte der studierte Politologe schon immer gut. Seine journalistische Karriere begann 1999 und führte ihn zwischen 2002 und 2007 zur betont anti-deutschen linken Wochenzeitung Jungle World, einer radikalen Abspaltung des DDR-Reliktes Junge Welt (bis 1990 Zentralorgan der FDJ). Während Yücels aktiver Redakteurszeit stufte der Verfassungsschutz Brandenburg die Jungle World als eines der wichtigsten linken Medien der »antideutschen« Richtung ein. Wahrlich sehr patriotisch!
»Stinkstiefel Gauck«
Von 2007 bis 2015 schrieb Yücel für die betont linke taz.die tageszeitung. Hier ätzte er gegen alles, was ihm in seiner linken Welt zu rechts erschien.
Bundespräsident a.D. Joachim Gauck warf er Verharmlosung des Holocaust vor. Der Kirchenmann und wegen seiner DDR-Erfahrung durchaus antikommunistische Gauck werde noch Gelegenheit finden, »Ausländern die Meinung zu geigen, Verständnis für die Überfremdungsängste seiner Landsleute zu zeigen, die Juden in die Schranken zu weisen und klarzustellen, dass Nationalsozialisten auch nur Sozialisten sind« (taz.de-Titel vom 20.2.2012: »Ein Stinkstiefel namens Gauck«).
Yücel konnte sich in dem Text nicht erklären, »welcher Teufel die Grünen und mehr noch die SPD geritten hatte, diesen eitlen Zonenpfaffen aufzustellen«.
Die Konsenswahl des Bundespräsidenten sei »nichts Gutes. Aber Landestypisches.« Kritik am Bundespräsidenten und wie dieser bis heute gewählt wird, ist in Ordnung. Dass sich Yücel im Falle Gauck aber allein daran rieb, dass dieser ihm (zu dieser Zeit) nicht geschichtsbüßerisch genug, allzu einwanderungskritisch und konservativ sowie antikommunistisch erschien, wahrlich sehr patriotisch!
»Völkersterben von schönster Seite«
Dann war da noch der Geburtenrückgang der Deutschen als »Völkersterben von seiner schönsten Seite« (taz, 4.8.2011: »Super, Deutschland schafft sich ab«). »Endlich! Super! Wunderbar! Was im vergangenen Jahr noch als Gerücht die Runde machte, ist nun wissenschaftlich […] erwiesen: Deutschland schafft sich ab!«
Weiter schmierte er, politisch durchaus hintergründig: »Woran Sir Arthur Harris, Henry Morgenthau und Ilja Ehrenburg gescheitert sind, […] übernehmen die Deutschen nun also selbst, weshalb man sich auch darauf verlassen kann, dass es wirklich passiert. Denn halbe Sachen waren nie deutsche Sachen ("totaler Krieg", "Vollkornbrot") ...«
Der größte Beitrag der Deutschen zur Zivilisationsgeschichte sei es gewesen, dem absolut Bösen einen Namen und ein Gesicht zu geben. Die Deutschen fielen vor allem durch penetrante Besserwisserei, grenzenloses Selbstmitleid und ewig schlechte Laune auf.
Wer bis hierhin noch nicht vom tiefen Patriotismus des Deniz Yücel überzeugt ist, wird es vielleicht nach Yücels abschließendem Vorschlag:
Nun, da das Ende Deutschlands ausgemachte Sache ist, stellt sich die Frage, was mit dem Raum ohne Volk anzufangen ist, der bald in der Mitte Europas entstehen wird: Zwischen Polen und Frankreich aufteilen? Parzellieren und auf eBay versteigern? Palästinensern, Tuvaluern, Kabylen und anderen Bedürftigen schenken? Zu einem Naherholungsgebiet verwildern lassen? Oder lieber in einen Rübenacker verwandeln? Egal. Etwas Besseres als Deutschland findet sich allemal.
Ist dies die Art Patriotismus, die Sigmar Gabriel und das ganze Polit- und Medienkartell für zeitgemäße Vaterlandsliebe erachten? Das würde die Bundespolitik der letzten Jahre jedenfalls erklären.
Yücel und die Justiz
Der Deutsche Rechtschutzkreis (DRsK e.V.) erstattete schon vor Jahren mit Schreiben vom 31.8.2011 Strafanzeige gegen Yücel wegen Volksverhetzung und Verunglimpfung der Bundesrepublik Deutschland. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren wegen mangelnden Tatverdachts ein, es sei alles nur Satire und von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt war ein Jahr später sein Wunsch für Thilo Sarrazin, ein weiterer »Schlaganfall möge sein Werk gründlicher verrichten.« Das Landgericht Berlin untersagte die Äußerungen, die weitere Beleidigungen umfassten und sprach Sarrazin eine Entschädigung in Höhe von 20.000 Euro zu. Auch der Presserat rügte die Äußerungen als Verletzung der Menschenwürde (Pressemitteilung des Pressrates vom 6.12.2012).
Yücel selbst zeigte patriotische Haltung und schob eine »Klarstellung« nach: Er wünsche jedem ein langes Leben ohne Krankheit, »gerade auch erfolgreichen Buchautoren, Letzteren allein schon deshalb, weil sie damit die Chance gewinnen, etwas dazuzulernen und von Irrtümern abzulassen«. Perfekt patriotisch, zumal Yücel die durch ihn beklagte »penetrante Besserwisserei« der Deutschen bestens beherrscht.
Wie wichtig der Patriot Deniz Yücel für Deutschland und den Journalismus ist, hat er bereits vor fünf Jahren vortrefflich selbst in Worte gefasst. Er mag dabei in gewohnt pöbelpatriotischer Presseschmiererart gewitzelt haben – und tat doch Wahrheit kund.
Deniz Yücel schrieb über seine akademische Ausbildung: »Unter allen Laberfächern, die Linke so gern studieren, weil es für etwas Ordentliches, sagen wir: für Fischereiwirtschaft, weder hinten noch vorne geschweige denn oben reicht, ist die Politikwissenschaft das unnützeste. Ich weiß es, ich habe es studiert – und mit einem Einserdiplom abgeschlossen, was Beweis genug sein müsste, dass dieses Fach nichts taugt. […] Am Ende hat man von nichts wirklich eine Ahnung, schnappt aber dieses und jenes auf, was einen glauben lässt, zu allem seinen Senf abgeben zu können. Immerhin, für einen Berufsstand ist das keine schlechte Vorbereitung: für den des Journalisten.« (Jungle World vom 21.10.2012: »Die miesesten Studienfächer«)
In den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde gewitzelt: »Wer zu dumm ist für den Bauern, geht in den Kohlenpott«. Heutzutage wird man in dieser Bundesrepublik, wenn man zu nichts anderem taugt, gefeierter Journalist und als »Patriot« geehrt!