UN 5/2017
Aus Angst vor den Bildern:
Wie »Die Getriebenen« die Asylkrise besiegelt haben
Es ist ungeheuerlich, was Robin Alexander, Reporter der Welt am Sonntag, in seinem Kassenschlager »Die Getriebenen« berichtet:
Am Wochenende des 12./13. September 2015 hatte es die deutsche Politik in der Hand, die deutschen Grenzen vor dem Massenansturm zu schließen. Die Flüchtlingskrise wäre im Keim erstickt worden. Die Pläne lagen fertig auf dem Tisch, die Bundespolizei war längst mit Hunderten von Beamten in Bayern aufmarschiert. Der Grenzschließungsbefehl war geschrieben und brauchte nur noch unterschrieben zu werden. Dann zog Merkel zurück. Welche Bilder würden um die Welt gehen, wenn der deutsche Rechtsstaat seine Grenzen mit letzter Konsequenz vor Asylforderern schützt?
Anfang September 2015 erklärte Merkel die deutschen Grenzen für geöffnet. Noch am 11. September ließ sie in Medien verlautbaren, das Asylrecht kenne keine Obergrenze.
Robin Alexander berichtet von jener schicksalhaften Telefonkonferenz am 12.9.2015:
Horst Seehofer (CSU-Chef), Sigmar Gabriel (damals noch SPD-Chef), Frank-Walter Steinmeier (damals noch Außenminister), Thomas de Maizière (Innenminister), Peter Altmaier (Kanzleramtschef) und Bundeskanzlerin Merkel beschließen gegen 17.30 Uhr, dass die deutsch-österreichische Grenze dicht gemacht wird – ausdrücklich auch für Asylsuchende.
Die Umsetzung des Befehls ist gesichert. Dieter Romann, Präsident des Bundespolizeipräsidiums, hat längst alle Vorkehrungen getroffen. Am Rande einer »rechten« Demo (Tag der Patrioten) in Hamburg am selben Tag ließ er einen provisorischen Hubschrauberlandeplatz einrichten. »Als Samstagabend der Befehl kommt«, schreibt Alexander, »werden Hunderte von Polizisten in Wellen von Hamburg an die Grenze in den Alpen geflogen.« Weitere Hunderte rollen in Bussen an. Insgesamt 21 Hundertschaften sollen 24 Stunden später eine Grenze sichern, deren Wachhäuser und Schlagbäume vor Jahren dank des Schengen-Abkommens demontiert wurden.
Kurz zuvor im Juni hatte in Elmau der G-7-Gipfel in der Region stattgefunden. Romann hatte in weiser Voraussicht, eine jederzeitige Grenzschließung möglich zu machen, Container, Zelte, Lichtmasten und Pionierausrüstung vom G-7-Einsatz direkt vor Ort einlagern lassen. Sogar den 30-seitigen Grenzschließungsbefehl hatte er schon für die Politiker geschrieben.
Dann der Rückzieher der Politik am Sonntag, 13.9.2015, kurz vor der geplanten Grenzschließung um 18.00 Uhr: Niemand könne garantieren, dass die Grenzschließung juristisch haltbar sei. Niemand könne abschätzen, ob unpopuläre Bilder von unmittelbarem Zwang durch die Polizei gegen ungehorsame, randalierende Asylforderer um die Welt gehen werden. De Maizière und Merkel kneifen – und opfern die deutsche Grenze, anstatt das Risiko einzugehen. Hinterher wird sich herausstellen: Juristisch wäre die Schließung problemlos zu rechtfertigen gewesen und damit auch die Durchsetzung durch das staatliche Gewaltmonopol.
Robin Alexander: »So bleibt die deutsche Grenze an diesem Wochenende für alle offen. Aus der „Ausnahme“ zur Grenzöffnung wird ein monatelanger Ausnahmezustand, weil keiner die politische Kraft aufbringt, die Ausnahme wie geplant zu beenden. [...] Es findet sich in der entscheidenden Stunde schlicht niemand, der die Verantwortung für die Schließung übernehmen will.«
Eine Regierung, die keine Verantwortung übernehmen will, lässt Schlimmes befürchten, wenn es – wie vorauszusehen – zu weiteren staatsgefährdenden Ereignissen kommt!